Die Siedlung Basel-Gasfabrik zählt aus wissenschaftlicher Sicht zu den international wichtigsten Fundplätzen der jüngeren Latènezeit, da sowohl die Siedlung als auch dazugehörige Bestattungsplätze bekannt sind. Hier erhalten Sie einen Überblick über die Fundstelle, die aktuelle Forschung und die bisher zur Fundstelle erschienene Literatur.
Die Fundstelle ist im schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung aufgeführt. Sie liegt in einer sehr intensiv genutzten Zone am linken Ufer des Rheinknies etwa 2 km nördlich der Altstadt Basels und erstreckt sich über Teile des Novartis-Campus, über das ehemalige Hafenareal St. Johann und über ein Teilstück des Autobahn-Trassees der Nordtangente.
Für die Region Basel stellt die rund 15 ha umfassende Siedlung Basel-Gasfabrik den bisher ältesten Nachweis einer über längere Zeit bestehenden Zentralsiedlung dar. Die Gliederung der eisenzeitlichen Siedlungslandschaft in einen zentralen Ort und in ein landwirtschaftlich geprägtes Umfeld hatte komplexe ökonomische Austauschvorgänge und politische Abhängigkeitsverhältnisse zur Folge. Die Siedlung, die in vielerlei Hinsicht stadtähnliche Züge aufwies, war ein Knotenpunkt, an dem die Fäden eines Netzes von weit gespannten Handelsbeziehungen zusammenliefen. Dies wird unter anderem durch Funde von Importen aus dem Mittelmeerraum und einen der grössten Bestände Europas an keltischen Fundmünzen – weit über 500 Stück – bezeugt. Die Siedlung und die dazu gehörenden Bestattungsplätze datieren vom 3. Jh. v. Chr. bis zum Beginn des 1. Jh. v. Chr.
Die archäologischen Überreste
Von der Holz-Lehm-Architektur sind Reste von Pfostenbauten, Lehmstampfböden und Herdstellen erhalten geblieben. Diese Befunde sind von Gräben umgeben, die sich im Siedlungsareal teilweise über grössere Distanzen erstrecken. Aufgrund der beobachteten Pfostengruben deutet sich an, dass einige Gebäudegrundrisse ähnlich ausgerichtet waren und die Anlage neuer Bauten vermutlich systematisch geplant worden war. Zwischen den Gebäuden bestanden grössere Freiflächen, die für eine recht lockere Bebauung sprechen. Anhand dieser Indizien kann die Siedlung als Ansammlung von Gehöften rekonstruiert werden, die mittels Wegen und Gräben in Parzellen gegliedert war.
In der Siedlung gab es zahlreiche spezialisierte Handwerksbetriebe, die hochwertige Produkte herstellten. Davon zeugen nicht nur mehrere Töpferöfen, in denen in grossem Stil schwarz glänzende und bemalte Feinkeramik gebrannt wurde, sondern auch der Nachweis von Eisen- und Buntmetallschmieden.
Zu den auffälligsten Befunden gehören über 500 Gruben unterschiedlicher Form mit jeweils mehreren Kubikmetern Fassungsvolumen, die als Getreidesilos, Keller oder Werkplatz dienten. Nach ihrer primären Nutzung verfüllte man sie innerhalb kurzer Zeit mit Aushubmaterial, Abbruchschutt und Siedlungsabfall. In einigen Gruben wurden zusätzlich bewusst ausgesuchte Alltagsgegenstände, aber auch Tierkadaver niedergelegt. Alle Gruben enthalten umfangreiches Fundmaterial wie Gefässscherben (u. a. aus Italien importierte Weinamphoren), Münzen, Schmuck, Werkzeuge und Tierknochen. Diese Funde und Befunde vermitteln uns einen faszinierenden Einblick in die damalige Lebensweise.
Der Umgang mit den Toten
Unmittelbar nördlich der Siedlung liegen zwei Gräberfelder. Aus dem bereits 1917 teilweise untersuchten Gräberfeld A, von dem 2006 und 2012 weitere Bereiche mit modernsten Grabungsmethoden ausgegraben werden konnten, sind 168 Körperbestattungen bekannt. Das ca. 250 m westlich davon liegende Gräberfeld B – ein Gebiet, mit vielen grossflächigen neuzeitlichen Störungen – wurde 2005 und 2007 untersucht und umfasst 28 Bestattungen. Darunter befinden sich auch zwei Brandbestattungen, wobei eine davon in einem birituellen Grab zusammen mit einer Körperbestattung zum Vorschein kam. Die engen und nur wenig eingetieften Grabgruben sind meist Nord-Süd ausgerichtet. Die Toten sind grösstenteils in Rückenlage mit dem Kopf am Südende der Grabgrube niedergelegt worden. Mehr als die Hälfte der Bestatteten, die bei den modernen Grabungskampagnen aufgedeckt wurden, sind Säuglinge und Kinder.
Auch innerhalb der Siedlung kamen in Gruben und Gräben immer wieder menschliche Überreste zum Vorschein. Es handelt sich dabei nicht nur um einzelne Menschenknochen und Skelettteile, sondern auch um ganze Skelette. Die Bestattungen im Gräberfeld und in den Siedlungsgruben sind Zeugnis eines komplexen Totenritus. Diese Kombination von Gräberfeld- und Siedlungsbestattungen in einer einzigen Fundstelle bietet hervorragende Voraussetzungen, die späteisenzeitlichen Totenrituale in ihrer ganzen Vielschichtigkeit zu erforschen.